Thematische Schwerpunkte zum International Tag gegen Homophobie 2020 (IDAHOBIT)
Im Mittelpunkt stehen der zunehmende Hass und Repressalien gegen queere Menschen in einigen europäischen Ländern, die Situation geflüchteter Menschen mit queerem Hintergrund und die nicht ausreichende Schulaufklärung über Vielfalt von Geschlecht und sexueller Orientierung in Baden-Württemberg.
Das Offene Netzwerk verurteilt die Situation in Polen und Ungarn
Während in Polen "LSBTTIQ-freie" bzw. "LSBTTIQ-Ideologie-freie" Kommunen und Landkreise proklamiert werden, hat die Regierung in Ungarn die Personenstandsregelung so verändert, dass zukünftig nur das "Geschlecht zur Geburt" aufgeführt wird, welches anhand „primärer geschlechtlicher Merkmale und chromosomen“ unabänderbar bestimmt wird. Damit ist es künftig in Ungarn nicht mehr möglich, das Geschlecht nach einer Anpassung auch entsprechend in Pässen und persönlichen Dokumenten schriftlich festzuhalten. Diese Neuregelung lässt trans* Menschen rechtlich und gesellschaftlich verschwinden und beschneidet sie in nicht hinnehmbarer Weise in ihren Grundrechten. Dass die EU ein solches Verhalten nicht sanktioniert, ist absolut unverständlich und eine Schande für Europa. Beides, das Proklamieren "LSBBTIQ-freier" Zonen in Polen und die Neuregelung des Personenstands in Ungarn, sind enorme Rückschritte für die Menschenrechte in Europa.
Prekäre Situation Queerer Geflüchteter auch in der Rhein-Neckar-Region
Die Kontaktverbote in Corona-Zeiten verschärfen die prekäre Situation in den Unterkünften. Dabei sind LSBTTIQ-Geflüchtete von den Einschränkungen deutlich härter getroffen. Der großen Einsamkeit in den Camps können sie nicht mehr entkommen. Die Gefahr von Anfeindungen und Gewalt ist gestiegen. Gespräche und Austausch sind aus Angst vor einem Outing jetzt fast ganz unmöglich, denn für virtuelle Kontakte zur LSBTTIQ-Community reicht das Datenvolumen oft nicht aus. Eine dezentrale Unterbringung insbesondere von LSBTTIQ-Geflüchteten ist dringend notwendig. In einer geschützten Unterkunft wäre die bedrohliche Lage gelindert. Bis heute gibt es hierfür in Baden-Württemberg keine Lösung. Bereitstellung von WLAN, Sensibilität für die besonderen Schutzbedarfe, soziale Kontakte in queere Hilfseinrichtungen sind dringend notwendig. Der besondere Schutzbedarf von LSBTTIQ-Geflüchteten braucht endlich Taten in Baden-Württemberg. Die Kommunen dürfen damit nicht allein gelassen werden.
Leitperspektive für Vielfalt muss stärker umgesetzt werden
Seit 2016 ist die Leitperspektive zur "Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt" im Bildungsplan Baden-Württembergs verankert. Eine wichtige Entscheidung, um endlich eine wertschätzende Einbeziehung der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Orientierungen im gesamten Fächerkanon zu erreichen. Neben der Anpassung von Unterrichtsmaterialien und didaktischen Vorschlägen, sind Fortbildungen der Lehrkräfte und Vernetzung mit Aufklärungsprojekten essentiell. Spezifische Fortbildungen werden bisher aber nur durch einzelne Gruppen bzw. der Gewerkschaft angeboten. Die Stadt Mannheim stockte 2020 ihre Unterstützung auf. Aber auch landesweit müssen Workshops und Fortbildungen zur Verfügung stehen. Ebenso erhalten außerschulische Aufklärungsprojekte bis heute fast keine Finanzierung durch das Land. Lehrende, Schüler*innen und Eltern werden allein gelassen. Baden-Württemberg verpasst die Chance, Vielfalt vor Ort zu stärken.